BESCHLÜSSE DES HOHEN VERTRETERS IN BOSNIEN UND HERZEGOWINA -BEITRAG ZUR RECHTSSTAATLICHKEIT ODER BEITRAG ZUR RECHTUNSICHERHEIT IN BOSNIEN UND HERZEGOWINA?

28. 0ctober 2022 -21 DE  

BESCHLÜSSE DES HOHEN VERTRETERS IN BOSNIEN UND HERZEGOWINA -BEITRAG ZUR RECHTSSTAATLICHKEIT ODER BEITRAG ZUR RECHTUNSICHERHEIT IN BOSNIEN UND HERZEGOWINA?

  Am Tag der Parlamentswahlen am 2. Oktober 2022 hat der Hohe Repräsentant zwei Beschlüsse gefasst, die sofort in Kraft getreten sind und sich auf die Änderung der Wahlregeln für die Wahl des Präsidenten und zweier Vizepräsidenten der Föderation BiH, auf die Änderung der Methode zur Wahl des Präsidenten der Entität Föderation zwischen den drei nominierten Personen für dieses Amt, auf die Änderung des Wahlverfahrens für die Delegierten des Hauses der Völker (Dom naroda), auf die Methode zur Bestimmung der Anzahl der Delegierten aus allen konstituierenden Völker und Andere aus jeder Kantonsversammlung und auf die Änderung bei der Besetzung der fehlenden Delegierten, beziehen.
Es besteht kein Zweifel, dass sich der größte Teil der angenommenen Änderungen der Verfassung der Föderation ausschließlich auf indirekte Wahlen in einer der beiden Entitäten von BiH bezieht – Föderation Bosnien und Herzegowina ohne die Entität Republika Srpska, die nach der Bestätigung der Ergebnisse der allgemeinen Wahlen umgesetzt werden.
Wenn es um das Gesetz zur Änderung des Wahlgesetzes geht, beziehen sich daher alle Bestimmungen dieses Gesetzes auf indirekte Wahlen in der Föderation Bosnien und Herzegowina, und das Gesetz ändert den rechtlichen Rahmen für die Durchführung des Wahlverfahrens in Bosnien und Herzegowina als Ganzes.
Die vorgenannte Tätigkeit des Hohen Repräsentanten ist aus formal-rechtlicher und materiell-rechtlicher Sicht zu betrachten. Der formal-rechtliche Aspekt spiegelt sich in dem Moment wider, in dem der Hohe Repräsentant umstrittene Änderungen der Verfassung und des Wahlgesetzes vornahm und zwar in der Wahlnacht! Gerade diese Handlung entspricht nicht demokratischen Standards, verstößt gegen rechtsstaatliche Prinzipien und führt zu Rechtsunsicherheit! Es besteht kein Zweifel, dass es sich um eine Rechtshandlung handelt, die zu Rechtsunsicherheit geführt hat. Diese Handlung verstößt gegen die demokratischen Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und gegen internationale Standards die im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention stehen. Protokol 1 der Konvention garantiert im Artikel 3 faire, freie und demokratische Wahlen. Zumal es aus Sicht der Venedig-Kommission Stabilität im Wahlsystem als Garant für faire und demokratische Wahlen geben muss. In dem Jahr, in dem die Wahlen abgehalten werden, gibt es keine Änderungen der Wahlegeln, es sei denn, es geht um die Erfüllung internationaler Verpflichtungen.
In materiell-rechtlicher Hinsicht handelt es sich um Lösungen, die keine vernünftige und sachliche Rechtfertigung haben, die nicht zu einem effizienteren Funktionieren der Föderation führen, die komplizierte Verfassungsstruktur des Staates nicht vereinfachen, die die Behörden der Entität Republika Srpska in keiner Weise behandeln und die bestehende Diskriminierung im Verfassungs- und Rechtssystem von Bosnien und Herzegowina nicht entfernen.
Die Rolle des Hohen Vertreters in Bosnien und Herzegowina gemäß dem Kommuniqué der Konferenz des Peace Implementation Council in Bonn ist wünschenswert. Seine Befugnisse zur Beilegung strittiger Situationen in Bosnien und Herzegowina gemäß Anhang 10 DMS sind willkommen. Aber der Hohe Vertreter muss internationale demokratische Standards respektieren, da Bosnien und Herzegowina die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ratifiziert hat und sie ein integraler Bestandteil der Verfassung von Bosnien und Herzegowina ist und Vorrang vor allen anderen Rechten hat. Nun ist das Verfassungsgericht von Bosnien und Herzegowina am Zug, Hüter der Verfassung, des Rechtsstaats und der demokratischen Werte.
Es wird der Schluss gezogen, dass der Hohe Repräsentant dem Mythos der Unveränderlichkeit der verheerenden ethnischen Formel von Dayton folgt, die ebenso falsch ist wie die Mythen über Bosnien, die während des Krieges vorherrschten – von der gleichen Schuld aller Seiten an der Verursachung des Krieges, der vermeintlichen friedensstiftenden Funktion des Waffenembargos, Stereotypen über die Notwendigkeit hunderttausend NATO-Soldaten einzusetzen, um das Krieg zu stoppen usw. Der Mythos ist falsch, weil er durch die ratifizierte Verfassungsverpflichtung aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die der Verfassung von Dayton überlegen ist, widerlegt wird. Die Rechte aus de Konvention müssen in der Gesamtheit der Verfassung von Dayton und allen Gesetzen des Landes umgesetzt werden.

  Die Hauptrednerin der Kreis99 – Sitzung war Alma Čolo, Mitglied des Repräsentantenhauses der Parlamentarischen Versammlung von Bosnien und Herzegowina, die am 23. Oktober 2022 in Sarajevo stattfand.
 
Adil Kulenović, President
  
Association of Independent Intellectuals – Circle 99 (Bosnian: Krug 99), a leading Bosnian think-tank, was established in Sarajevo in 1993, in the midst of the Bosnian war (1992-1995), while the capital was under siege. Circle 99 provides a platform to bring together intellectuals of various professional and ethnic identities; university professors, members of the Academy of Sciences and Arts of Bosnia and Herzegovina, artists, journalists, entrepreneurs, diplomats, and other prominent figures from Bosnia and from abroad. Multidisciplinary discussions and initiatives are held each Sunday throughout the academic year, in the form of regular sessions about politics, science, education, culture, economy, and other societal issues. The overall goal is to sensitize the public towards a democratic transformation, achieving and maintaining peace, and integration of modern Bosnia into the community of countries fostering liberal democracy. Circle 99 has been declared an organization of special significance for the city of Sarajevo.